Wohnstätte der Musen war das Museion. Wenn der vorliegende Band sich als
Museion Boicum präsentiert, ist aber nicht in erster Linie deren
Aufenthaltsort angesprochen, denn der Musenberg symbolisierte weit mehr, und
zwar namentlich auch die Pflege der Wissenschaften.
Als die bayerischen Augustiner-Eremiten Eusebius Amort, Gelasius Hieber und
Agnellus Kandler 1722 eine Gelehrtenzeitschrift aus der Taufe hoben mit dem
anspruchsvollen Titel Parnassus Boicus, die, mit Unterbrechungen, bis
1740 erscheinen sollte, ging es ihnen darum, die Wissenschaft in Bayern, aber
auch die Erforschung der bayerischen Geschichte und der bayerischen Kultur in
deren unterschiedlichsten Ausprägungen voranzutreiben. Um die Erforschung
der Kultur und der Geschichte Bayerns hat sich seit über fünfzig
Jahren auch Hans Pörnbacher verdient gemacht, dem der vorliegende Band
zum 80. Geburtstag als »Musengabe«, was eine weit weniger
anspruchsvolle Umschreibung von ›Museion‹ sein dürfte,
zugeeignet wird. Dass Pörnbachers wissenschaftliches Œuvre einen
entscheidenden Beitrag zur Erkundung, zum Erhalt und zur Verfestigung des
Musentempels bayerischer Geistigkeit darstellt, soll der Titel des
vorliegenden Sammelbandes nicht zuletzt auch unterstreichen.
Dem Minnesänger Hiltbold von Schwangau, der im heutigen Bayern beheimatet
gewesen sein muss, war Pörnbachers erste größere Untersuchung
gewidmet; sie erschien 1957. Ihr folgten bis jetzt, bis an die Schwelle von
Pörnbachers neuntem Lebensjahrzehnt, Hunderte von weiteren
Veröffentlichungen, deren Schwerpunkt unentwegt Bayern in der
vielfältigen Verschiedenheit seiner kulturellen Eigenheit war. Auch in
den fast zweieinhalb Jahrzehnten, in denen er als Ordinarius für
ältere deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft an der Katholieke
Universiteit Nijmegen, der heutigen Radboud Universiteit Nijmegen, lehrte,
bildete Bayern die zentrale Mitte von Pörnbachers Forschungen.
In jenen Jahren etwa erschien die fünfbändige, über sechstausend Seiten
starke Bayerische Bibliothek, die Pörnbacher gemeinsam mit Benno
Hubensteiner geplant hatte, die er nach dem Tod seines Mitherausgebers alleine
betreute und für die er drei Bände selber besorgte; in jenen Jahren
auch entstand die in Amsterdam erscheinende, von Pörnbacher
herausgegebene Reihe »Geistliche Literatur der Barockzeit«, die
vorwiegend das lange vernachlässigte geistliche Schrifttum Bayerns vom
späten 16. bis ins frühe 18. Jahrhundert erneut der
Öffentlichkeit vorstellen will. Beide Unternehmen sind im wahrsten Sinne
als ›Museion‹, als gelehrtes Unterfangen, als Bibliothek und als
Sammelstätte zu verstehen, was alles ebenfalls im weiteren Sinne von dem
Begriff abgedeckt wird.
Das hier präsentierte Museion Boicum will eine Brücke
schlagen zwischen Pörnbachers ehemaliger Wirkungsstätte in den
Niederlanden und seiner heutigen Wohnstätte in Bayern, das ihm, auch in
der Fremde, immer geistige Heimat war. Dass hier ehemalige Kollegen und
Schüler aus der Nijmegener Zeit mit Beiträgen vertreten sind, aber
auch die erfreuliche Gegebenheit, dass der Amsterdamer Verleger der Reihe
»Geistliche Literatur der Barockzeit«, der schon über drei
Jahrzehnte mit Pörnbacher zusammenarbeitet, bereit war, die Festgabe zu
dessen Jubelfeier herauszubringen, versinnbildlichen dieses Anliegen.
Von ›Museion‹ leitet sich das Museum her, dessen
Vorläuferin die Raritätenkammer war, die Unterschiedlichstes dem
»curiosen« Betrachter darbot. An diese Tradition im besten Sinne
will das vorliegende Museion anknüpfen: Es vereint Beiträge
zu recht unterschiedlichen Themen. Sie zentrieren sich aber nahezu allesamt um
Bayerisches, und zwar weitgehend auch um ältere Epochen der bayerischen
Geschichte und Kultur, als ›bajuwarisch‹ oft noch die
geläufige Bezeichnung war. Gemeinsam ist ihnen allen auch, dass sie
Bereiche berücksichtigen, mit denen der Jubilar sich immer wieder
befasste: Insofern bildet er die eigentliche Mitte des Museion. Das
Spektrum reicht, um nur einige Stichworte zu nennen, von der frühen
bayerischen Geschichtsschreibung, über die geistliche Literatur, das
Jesuitentheater und die Klostermusik des Barock, die Kulturentwicklung in
Bayern zur Zeit der Aufklärung und die bayerische Bibliotheksgeschichte,
bis hin zu norddeutschen Bayern-Bildern und englischer Rezeption bayerischer
Autoren im 19. Jahrhundert, wobei nicht selten Namen auftauchen, die von
Pörnbachers Veröffentlichungen her vertraut sind, wie Jeremias
Drexel, Aegidius Albertinus, Johannes Bisselius oder Christoph von Schmid.
Der Dank der Herausgeber gilt den Autoren, den Institutionen, die mit
Zuschüssen die Drucklegung unterstützten – genannt seien hier
die Bayerische Volksstiftung, die Ernst-Pietsch-Stiftung, das
Bischöfliche Ordinariat Augsburg, die OEW-Energie-Beteiligungs GmbH sowie
das Germanistische Institut der Radboud Universiteit Nijmegen –, dem
Verleger Herrn Gérard van Heusden und vor allem auch den Subskribenten,
denn sie haben das Erscheinen des Bandes erst recht ermöglicht. Sie alle
verbindet die Hoffnung, dass das hier Präsentierte dem Jubilar gefallen
und dass es ihm Lesefreude bereiten möge, im Bewusstsein, dass alle, die
Subskribenten, die Spender, die Autoren, der Verleger und die Herausgeber,
sich ihm verbunden fühlen und seines Ehrentages in dankbarer Erinnerung
gedacht haben.